Entschleunigung – warum wir uns so gehetzt fühlen

Entschleunigung - Landschaft im Thüringer Wald © Henry Czauderna - Fotolia.com

Jeder von uns kennt das Gefühl, nicht genügend Zeit zu haben, nicht richtig ausspannen zu können, dem Arbeitspensum und dem Druck im Betrieb nicht mehr gewachsen zu sein. Die Wochenenden reichen kaum noch zur Erholung aus und selbst dann gibt es unzählige Aufgaben zu erledigen und eine Vielzahl an Entscheidungen zu treffen, die unser Gehirn ständig auf Hochtouren arbeiten lassen. Die Folge sind permanente Erschöpfung, Lustlosigkeit, Antriebslosigkeit, im schlimmsten Fall erste Anzeichen des heutzutage vielbeschriebenen Burnout-Syndroms. Doch was lässt uns so rastlos sein? Was hat dazu geführt, dass sich insbesondere in den letzten Jahren immer mehr Menschen unabhängig von ihrem Job, ihrem Einkommen oder sonstigen Lebensumständen so überfordert fühlen?

Der Druck der Wirtschaft – Wachstum für jeden Preis!

Niemals hatten wir so viel Freizeit wie zum Beginn des 21. Jahrhunderts. Niemals war die medizinische Versorgung, jedenfalls in unseren Breiten, so gut wie jetzt. Wir haben Computer und Maschinen entwickelt, die uns das Leben leichter machen sollten und trotzdem leiden immer mehr Menschen an dem Gefühl, ausgebrannt zu sein. Wie kann es sein, dass wir also trotz all dieser Hilfsmittel doch keine Erleichterung in unserem Beruf und Alltag erfahren?

Werfen wir einen Blick auf die Wirtschaft, auf die Börsen und Banken unserer globalen und vernetzten Welt. Hier geht es immer nur um Wachstum und Profit! Je höher und schneller das Wachstum, umso mehr Profit lässt sich generieren – jedenfalls für einige. Schon lange hat der Aktienhandel allerdings nichts mehr mit realem Güter- und Warenverkehr oder mit vorhandenen oder nicht vorhandenen Ressourcen zu tun. Aktienpakete, Gelder und Waren – ob real oder nicht – werden innerhalb von Mikrosekunden zig hundertmal verkauft, gekauft, wieder verkauft, gehalten und wieder gekauft. Da kein Mensch allerdings dazu befähigt wäre, diese Transfers in einer solch minimalen Zeitspanne auszuführen, wird diese Aufgabe längst von Algorithmen übernommen, Computersysteme die gegeneinander „spielen“. Je mehr Transfers und je öfter Aktien hin und her geschoben werden, desto mehr Rendite ist möglich – wiedermal: für einige wenige. Es geht nur noch um Geschwindigkeit. Je schneller, je mehr Profit.

Konkurrenzdruck auf allen Ebenen

Mit dieser rasanten Geschwindigkeit einhergehend, wächst aber auch der Konkurrenzdruck und zwar auf allen Ebenen. Das Unternehmen, das sich am ehesten mit dem neuesten Produkt, der neuesten Idee, einfach der bestmöglichen Leistung auf dem Markt präsentiert ist erfolgreich und profitiert. Und hier sind alle Arbeitnehmer gefordert, diesen Erfolg für den eigenen Arbeitgeber zu ermöglichen.

Und auch im Privaten steigt der Konkurrenzdruck ins Unermessliche, manchmal sogar nur mit sich selbst. Aus einer Vielzahl von Möglichkeiten gilt es, stets die richtige Entscheidung zu treffen, um vermeintlich mithalten zu können. Gucke ich die richtige Serie, bin ich im richtigen sozialen Netzwerk, habe ich das richtige Handy, sind die Schuhe auch das Modell, das bei den Freunden gut ankommt? Die Möglichkeiten zum Auswählen sind mittlerweile grenzenlos. Und was eben noch voll im Trend war, ist morgen schon wieder out. Ständig müssen wir Entscheidungen treffen. Im Job, im Alltag, selbst in der Freizeit. Und zwar die Richtigen und bitte extrem schnell, denn sonst haben wir entweder das Gefühl hinterher zu hängen oder aber, im Privaten, nicht genügend erlebt zu haben.

Weg mit dem Stress – aber wie?

Auswege aus diesem beschleunigten Hamsterrad zu finden, ist nicht einfach, aber es gibt sie. Zum einen mit bekannten Methoden, wie Yoga, Meditation, Spaziergängen in der Natur, Sport treiben und sich wahrhaft Zeit für sich nehmen. Der Punkt ist, dass man es aber auch wirklich tun muss! Ein anderer Weg ist, sich von dem (inneren) Konkurrenzdruck freizumachen. Wenn zehn Freunde zehn unterschiedliche Serien gucken, hat man das Gefühl, alle sehen zu müssen, um mitreden zu können. Doch das geht einfach nicht. Die wichtigste Frage ist immer: Was will ich und was brauche ich wirklich, um zufrieden zu sein? Und dieses Denken hat nichts mit ungesundem Egoismus oder mangelnder Solidarität mit den Mitmenschen zu tun! Denn Toleranz und Empathie werden nicht weniger, weil man auf sich und seine wahrhaften Bedürfnisse achtet! Und sobald sich im Alltag und der Freizeit das Gefühl von Entschleunigung eingestellt hat, überträgt sich dies auch auf die Zeit bei der Arbeit, die dann selbst in stressigen Momenten leichter zu bewerkstelligen ist.